FUTUREMANIA

FUTUREMANIA - The Captain Future Site

Rüstungsanatomie und deduktive angewandte Materialkunde

- oder die Antwort auf die Frage "Was hat Future eigentlich an...?"

In der mittelalterlichen Kostüm- und Waffenkunde werden Zeichnungen (Buch- bzw. Codex-Illustrationen) oder Skulpturen (meist Grabskulpturen) verwendet, um von der Art der Darstellung auf Funktionsweise, Material und Herstellung schließen zu können. Dies ist vor allem dann nötig, wenn sich keine Originalstücke erhalten haben. Ich habe im Folgenden versucht, diese Methode auf die Kostümierung Captain Futures anzuwenden, da auch hier nur die Zeichnung Aufschluss über die tatsächliche Beschaffenheit des eingesetzten Materials geben kann, und darüber hinaus Vergleiche zu einer mittelalterlichen Rüstung (Plattenharnisch) gezogen.

Inwieweit es sich bei Futures Kostümierung um eine Uniform, eine Art Rüstung oder Raumanzug handelt, lässt sich aus den Zeichnungen selbst nicht ablesen. Die Lektüre von Edmond Hamiltons Geschichten hilft hier nicht weiter, denn der steckte seinen Helden bekanntlich in einen "Overall aus Syntho-Seide"; mehr Beschreibung findet sich hier nicht.

Eine Uniform (die ja replizierbar wäre) kommt aus Gründen der Einzigartigkeit des Trägers bzw. seiner Aufgabe nicht in Frage. Future ist schließlich NICHT Mitglied der planetaren Polizeitruppe, sondern Einzelkämpfer (sozusagen die Personifizierung der "SOKO Exotische Härtefälle"). Die in der Zeichentrickserie sehr deutliche Aufteilung von CF's "Anzug" in Brustpanzerteil, Rumpfteil und Restlicher Körperschutz legt meines Erachtens eine Art Rüstung nahe, beinahe im herkömmlichen (mittelalterlichen) Sinne. Dies passt im inhaltlichen Kontext gut, da Future quasi die Rolle eines "weißen Ritters" innehat, der überall dort auftaucht, wo es Ungeheuer und Bösewichte zu besiegen sowie Frauen zu beschützen gilt... (leider hapert es bei ihm ja etwas mit der Minne - oder auch nicht, je nachdem, wie man es betrachtet[1]).

Die Darstellung der "Rüstung" gibt nur beschränkt Aufschluss über Textur und Beschaffenheit des Materials. Dieses muss zumindest an Armen und Beinen eine gewisse Flexibilität besitzen, da in der Folge mit den Tiermenschen die Zähne des Tiger-Mensch-Mischwesens Unyi deutliche Eindrücke (im wahrsten Sinne des Wortes) hinterlassen und das Material zumindest arg quetschen. Um starre Röhren (wie die Arm- und Beinröhren einer mittelalterlichen Rüstung) kann es sich also nicht handeln, obwohl die angedeuteten schwarzen Naht- oder Gelenkstellen dies eigentlich nahe legen. Beweis: Die Spritze, die Future von Grag gesetzt bekommt ("Der Herrscher von Megara", hier schiebt der Captain nämlich seinen "Rüstungsärmel" hoch). Gegen die Annahme starrer Röhren spricht auch die aus der Zeichnung abgelesene theoretische Funktionalität der schwarzen Gelenkstellen, die nicht der in der Praxis angewandten Funktionalität entspricht: Um sich mit starren Röhren an Armen und Beinen bewegen zu können, d. h. die Gelenke beugen zu können, müssen die Röhren an den jeweiligen Enden über große, mehr oder weniger oval abgeschrägte Ausschnitte verfügen, da sonst das Aufeinanderstoßen von starren Materialkanten das Beugen schlichtweg verhindert bzw. den Beugewinkel arg einschränkt (q.e.d., d. h. ich hab's ausprobiert).

Durch die dafür nötigen großen Aussparungen entstehen an den Innenseiten der Gelenke (also im spitzen Winkel) jedoch relativ offene, ungeschützte Stellen. Beim Plattenharnisch, der das "Röhren"-Prinzip verwirklicht, führte dies zur Entwicklung von mehr oder weniger unförmigen Armkacheln, die diese offenen Stellen überkragen und somit abdecken. Schaut man sich zum Vergleich die „Uniformen“/ “Rüstungen“ der Sturmtruppler aus "Star Wars" an, die ja mit demselben Problem kämpfen, wird man feststellen, dass hier die Röhren vor allem an den Armen stark verkürzt wurden, um eben genau die Funktionalität einer ungehinderten Beugung von Armen und Beinen zu gewährleisten – was aber gleichzeitig auch bedeutet, dass hier größere Teile der eigentlich zu schützenden Stellen wieder offen liegen, sprich: ungeschützt sind... Beide Konzepte finden wir jedoch in der Zeichentrickserie nicht: Die bei Future dargestellten offenen Gelenkstellen sind nämlich ausgesprochen schmal.

Ist das Röhrenmaterial dagegen flexibel, bildet sich beim Beugen im spitzen Winkel des Gelenks eine Einwölbung oder Falte im Material bzw. eine Dehnung auf der gegenüberliegenden stumpfen Seite; das gilt auch für elastische Materialien. Dehnungs- oder Faltenbildung ist jedoch im Bewegungsablauf Futures nie zu erkennen – weder am Rumpfansatz der Arme noch in der Armbeuge. Wie ist dieses Problem zu lösen? Entweder hat der Zeichner hier ein neues Material mit bahnbrechenden elastischen Eigenschaften angedeutet, oder es handelt sich um einfache zeichnerische Freiheit ohne Zusammenhang mit der Funktion des gezeichneten Teils (pfui!).

Aus dem gleichen (revolutionären) Material scheinen auch die Handschuhe und die Oberschenkelröhren (Diechlinge) zu bestehen, wenn man die gleiche Farbgebung dafür als Beleg nimmt. Auf Höhe der Kniescheiben befinden sich andersfarbige Knieschützer, die ihre Entsprechung in den Kniebuckeln einer Rüstung haben. Der Schienenbeinschutz ist mit y-förmig aufeinander zulaufenden Strukturen oder Rippen ausgestattet, denen ich unwillkürlich eine stabilisierende Funktion zuschreiben würde – somit hätte man es hier mit härterem Material, also mit einer Art Beinschiene, zu tun. Mit einer angedeuteten Naht- oder Gelenkstelle geht die Beinschiene in den Schuh-Teil über. Auch hier ergibt sich aus der Darstellung wieder die oben beschriebene Gelenkproblematik.

Der Rumpfbereich mit dem senkrechten dunklen Streifen lässt sich am wenigsten charakterisieren. Als Material könnte man sich hier eine Art reißfesten elastischen Stoff vorstellen.

Ebenfalls schwierig einzuschätzen ist, was eigentlich wirklich alles an Future's Gürtel befestigt ist. Wenn man nach Edmond Hamilton geht, müsste sich hier ein wahres Arsenal an Werkzeug und Hilfsmitteln befinden – DER klassische Superhelden-Gürtel eben, der auch bei anderen Figuren aus der damaligen Zeit Verwendung findet (Batman z. B.) Kann man davon ausgehen, dass der "Superheldengürtel" seine Entsprechung im Schwertgürtel des Ritters hat, da die Superhelden deren Nachfolge antreten? Ich finde den Gedanken naheliegend! Im Falle von Future hätte dieser dann auch noch die passende Farbe (weiß steht für Reinheit, und tatsächlich waren bis zum Hochmittelalter in Deutschland die Schwertgürtel der Ritterschaft weiss, dies unterschied sie u. a. von den berittenen Sergeanten)...

Der Brustpanzer mit seinen Schulterstücken scheint auf dem Arm- und Bein- sowie Rumpfmaterial aufzusitzen, d. h. er wird darüber getragen. Offenbar lässt er sich vorne öffnen. Eine Gelenk- oder Nahtstelle auf dem Rücken fehlt oder ist nur teilweise angedeutet, also muß das verwendete Material auch hier eine gewisse Flexibilität aufweisen, sonst ist ein An- und Ausziehen des Brustpanzers unmöglich (hier spricht der Fan, der's ausprobiert hat). Andererseits ist für die Schutzfunktion eine gewisse Starrheit vonnöten – diesen Spagat kriegt man aber nur hin, wenn man wieder revolutionäre Materialien mit eben diesen Eigenschaften voraussetzt, also Werkstoffe aus der Zukunft eben – oder erneut die zeichnerische Freiheit bemüht (was langweilig ist).

Über die Funktion des blaugrauen Kreises auf der Brust lässt sich nur rätseln, mir fällt allerdings außer reiner Dekoration kein Verwendungszweck dazu ein. Manch einer hat darin schon eine Art "Funk-Empfänger" vermutet, da in einer Folge dieser Brustkreis gelblich aufleuchtet. Wäre das der Fall, müsste der Kreis in allen gezeigten Folgen leuchten, sobald Captain Future kontaktiert wird. Das ist jedoch nicht der Fall. Zeichnerische Schlampigkeit oder Absicht? Wir werden es wohl nie erfahren... Die "Stege", unter denen die Schulterstücke beginnen, finden am ehesten in dem Brechrand eines mittelalterlichen Schulterstücks ihre Entsprechung, sie sind aber auch heutzutage noch beliebt (jüngstes Beispiel im deutschen Fernsehen: "Totally Spies"). Futures Schulterstücke selbst sind funktionell direkte Ableitungen ihrer mittelalterlichen Vorbilder – wenn auch in der Größe und Gestaltung arg reduziert und des Brechrandes entledigt (da dieser auf den Schulterteil des Brustpanzers verlegt wurde).

Fasst man also die starren Bestandteile von Future's Rüstung zusammen, so erhält man Brustpanzerung und Schienenbeinschutz. Und schon ist man auf halber Strecke bei dem modernen Pendant eines Harnischs angelangt: Der semiflexiblen Schutzausrüstung eines American-Football-Spielers... Anklänge aus dieser Richtung lassen sich natürlich nicht beweisen, liegen aber nahe.

In ihrer Gesamtheit muß die "Rüstung" jedoch zumindest teilweise weltraumtauglich (d. h. vakuumtauglich) sein – dies belegt jedenfalls die erste Folge von "Der Kampf um die Gravium-Minen". Hier springt Future, nur mit einem Helm sowie einem Hitzeschild "bewaffnet", in Nähe der Sonne aus der Schleuse von Wreckers Raumschiff in den Weltraum hinaus. Für den Sauerstoff sorgt der Helm (der Körper befindet sich ergo im luftleeren Raum), den nötigen Schutz vor der mörderischen Hitze leistet der Hitzeschild. Für den Rest ist die "Rüstung" verantwortlich, der man somit eine gewisse Luftdichtigkeit unterstellen muß. Dies impliziert wiederum ein Material, das als Schutzhaut unter den einzelnen Komponenten der Rüstung sitzt, diese als unverzichtbarer Bestandteil derselbigen miteinander verbindet und schwarz an den Gelenkstellen durchschimmert.

Was Future sonst noch unter dieser Rüstung trägt, ist nicht bekannt.

Joan, Ezella und Simon

Bei Joan und Ezella kann man im Gegensatz zu Future von einer Uniform aus mehr oder weniger elastischem Material ausgehen, die auf Brusthöhe zu öffnen ist. Stiefel und Handschuhe komplettieren dann diesen etwas fantasielosen, aber einfacher nachzubauenden Aufzug.

Interessant gelöst ist die Darstellung Simon Wrights. Die Idee, das Gehirn des alternden Wissenschaftlers unter einer Halbkugel zu bergen, scheint naheliegend (für uns – bei Hamilton handelt es sich noch um einen Kubus aus durchsichtigem Material). Allerdings fehlen hier sichtbare Versorgungssysteme: Das menschliche Gehirn ist von einem Flechtwerk an Gefäßen umgeben, die es mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Kann man von einer zentralen "Belieferung" von "unten" (innerhalb des metallähnlichen Sockelteils von Simons Behälter) ausgehen? Auch in der Folge "Mitgefangen im Weltraum" erfahren wir nur unwesentlich mehr zu diesem Thema. Andere Möglichkeit: Die transparente Halbkugel ist zur Gänze mit einer Nährlösung gefüllt, die das Gehirn des Professors umspült. Die Füllung ist bis zum "Anschlag" erfolgt, da keine Blasen zu sehen sind... Dies würde allerdings das Gewicht der Halbkugel enorm erhöhen und die zur Bewegung nötigen Energiereserven rasch aufzehren. Die Trägheit der Flüssigkeit wäre bei schnelleren Bewegungen ebenfalls problematisch. Bestechend ist dagegen wieder das Konzept der beweglichen Linsenaugen, mit denen der Professor auch um 180° nach hinten sehen kann, ohne sich dabei umwenden zu müssen. Bleibt schließlich noch die Frage offen, warum Simons Gehirn pulsierend leuchtet... Soll damit auf die Tätigkeit der Synapsen verwiesen werden, die bekanntlich mit elektrischen Impulsen arbeiten? Dann dürften nur bestimmte Regionen leuchten, nämlich diejenigen, die beim jeweiligen Denkprozess in Anspruch genommen werden. Das ist jedoch nicht der Fall, stets sind beide Hirnhälften komplett illuminiert, und wir müssen uns mit dem Hinweis auf die zeichnerische Freiheit (Effekthascherei?) begnügen...

Auch für Grag, Otto und Ezella wurde ein passendes Äußeres entwickelt, was in deren Fall allerdings auch nicht so schwer war – einzig Otto musste besondere Bedingungen erfüllen. By the way: Man liest immer wieder, der Gestaltwandler Odo aus "Deep Space Nine" hätte Future's Otto zum Vorbild (natürlich nicht vom Äußerlichen her...)

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